Bibliothèque nationale du Luxembourg, Luxemburg
BOLLES+WILSON mit WW+
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Kultur belebt das Kirchberg-Plateau
Gerade eröffnet, ziert die neue Nationalbibliothek Luxemburgs schon eine Sondermarke der Luxemburger Post. Kein Wunder, ist sie doch nicht nur das Archiv der kompletten Geschichte des kleinen Landes, sondern auch ein beeindruckendes Bauwerk geworden. Die Bibliothèque nationale wurde vom Münsteraner Architekturbüro BOLLES+WILSON entworfen, das 2003 den international ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte.
Am 1. Oktober 2019 wurde der Bau offiziell eröffnet. Ursprünglich hatte die Bibliothek am anderen Ende der großen Avenue John F. Kennedy stehen sollen, in einem revitalisierten Bestandsbau, mit direktem Blick in die Altstadt. Doch es kam anders und die Architekten wurden beauftragt, einen komplett neuen Bibliotheksbau für einen neuen Standort zu planen.
Heute liegt die Bibliothek viel weiter nordöstlich der Avenue, außerhalb der alten Kernstadt und wird dort Teil der großangelegten städtebaulichen und kulturellen Entwicklung des Stadtteils. Einst Ackerfläche wurde das Kirchberg-Plateau nach dem Zweiten Weltkrieg gewissermaßen zur Geburtsstätte der europäischen Idee. Europäische Institutionen wie der Europäische Gerichtshof oder der Rat der Europäischen Union prägen den Stadtteil. Seit einigen Jahren jedoch wird er zu einem lebendigen, gemischt genutzten Quartier weiterentwickelt. Für diesen neuen Standort mussten die Architekt:innen eine komplett neue Vision entwickeln: „Ein kulturelles Gebäude muss sich diesen Platz erobern, es darf einerseits nicht als Fremdköper wirken, aber soll sich durchaus bewusst und skulptural hervortun“, beschreibt Julia Bolles-Wilson die städtebauliche Herausforderung.
Stadtbibliotheken verändern ihre gesellschaftliche Rolle angesichts des digitalen Wandels. In der Funktion des Informationsspeichers ist das Internet nicht zu überbieten. Aber im Netz kann man sich nicht gemütlich zurückziehen oder sich auf einen Kaffee treffen, um über das Gelesene zu sprechen. Auch die Bibliothèque nationale du Luxembourg stellt das Soziale in den Fokus und bietet neben dem Angebot von zweieinhalb Millionen Büchern und Medien ein Foyer, Café sowie ein Konferenz- und Seminarcenter. Zudem übernimmt sie als Archivbibliothek die Verantwortung für das Bewahren und die Vermittlung des luxemburgischen Kulturguts.
In Zusammenarbeit als ARGE:
BOLLES+WILSON (Konzept, Entwurf und Detailplanung)
WW+ architektur + management sàrl (Ausschreibung und Bauleitung)
Architektur und Objekt
Foto: Thomas Rabsch
"In dieser Bibliothek wird die komplette Geschichte Luxemburgs aufbewahrt, in Form von 2,5 Millionen Medien. Die Platzierung des Archives war entscheidend für die Gebäudeorganisation. Unter der ansteigenden Leselandschaft, außen eingehüllt in festungsartige Gabionen, stellt es das Herz des Gebäudes dar,“ erläutern die Architekt:innen ihren Entwurf.
Die Bibliothek als Landschaft
Das Rot, für das die Architekt:innen bekannt sind, prägt den Bau bereits von außen und wird im Innenraum wiederkehren. Aus rot gefärbten Betonfertigteilen mit unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen entsteht eine lebendig wirkende Fassade. Der an die Ecke gesetzte, spitz zulaufende Turm verleiht der Bibliothek Prägnanz. Scharkantig aus dem Volumen geschnitten, weiß verkleidet und mit hoher Glasfront markiert der Eingangsbereich seine Präsenz. "Der Eingang des dramatischen Betonvolumens funktioniert wie ein Trichter: er zieht die Besuchenden ins Gebäude“, so beschreibt es Architekt Peter Wilson. Der große Lesesaal mit seinen Terrasierungen, Rückzugsorten, größeren und kleineren Plätzen verlängert die öffentliche Stadt ins Innere des Gebäudes.
Tageslicht flutet den Lesesaal. Es fällt durch die markanten Oberlichter, die – nach Norden gerichtet – zwar viel Licht zum Lesen eindringen lassen, aber keine solare Energie, die dem empfindlichen Buchbestand gefährlich werden könnte.
In einigen Bereichen wie den Büroräumen, Werkstätten und Korridoren bleibt die Stahlbetonkonstruktion des Gebäudes sichtbar. In anderen Räumen kontrastieren weiße Wände, Holzfenster und -türen mit starken Farben wie dem blauen Boden des Lesesaals oder grünen Sitzgelegenheiten. Ein Highlight ist auch der komplett in Rot gehaltene Spezialleseaal, in dem unter Aufsicht Raritäten gelesen werden können.
An dem eingesetzten Griffmodell FSB 1144 schätzt Peter Wilson besonders dessen gleitende Form, die er als „haptischen Vektor“ bezeichnet. „Der 1144, designt von Jasper Morrison, ist ein Klassiker, der mit der Benutzung nicht an Wertigkeit einbüßt. Seine schmeichelnde Form lässt ihn angenehm in der Hand liegen und wirkt zugleich beruhigend auf Auge und Geist,“ so Wilson. Ungewöhnlich aber effektvoll kombinieren die Architekt:innen alufarbene Griffe mit schwarzen Rundrosetten. Die Kombination des Aluminiumgriffs mit der schwarzen Rundrosette, die BOLLES+WILSON bereits in der Stadtbücherei Münster vor über 25 Jahren einsetzten, ist Teil ihrer Handschrift geworden. Der Kontrast setzt das Griffdesign optisch klar von der Rosette ab.
Objektdetails
Fotos: © Christian Richters