Kunsthalle Mannheim
gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner
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Eine Stadt für die Kunst / Oder das Museum als Stadt
Die Eröffnung der Kunsthalle Mannheim mit ihrem von den Architekt:innen von Gerkan, Marg und Partner (gmp) entworfenen Neubau fand am 1. Juni 2018 mit einem halben Jahr Verspätung statt – was für ein bauliches Großprojekt heute recht pünktlich ist. Zudem blieb ihr Bau im veranschlagten Kostenrahmen – auch das, durchaus bemerkenswert. Wie es sich gebührt, will man fast sagen, hat der Entwurf von Anfang an für Wirbel gesorgt. Eine Bürgerinitiative hatte vergeblich versucht, den Abriss des Vorgängerbaus aus den 1980er-Jahren zu verhindern. Und nun sind die einen frustriert über die vermeintlich fehlende städteplanerische Einbindung des Gebäudes, die anderen freuen sich über ein besonderes architektonisches Konzept und beeindruckende neue Räume für die Kunst einer der renommiertesten bürgerschaftlichen Sammlungen Deutschlands. Von Anfang an hat sich die Kunsthalle Mannheim einer Kunst verschrieben, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich ist. 1909 gegründet, ist sie eine der ersten Bürgersammlungen der Moderne weltweit.
1909 eröffnete die Kunsthalle Mannheim als erstes Museum der Stadt. Entworfen wurde der Jugendstilbau von Hermann Billing. Die Kunsthalle wurde nicht direkt an den Friedrichsplatz gestellt, sondern ließ Platz für einen geplanten weiteren Museumsbau. Erst durch den Erweiterungsbau von Lange-Mitzlaff-Böhm-Müller aus dem Jahr 1983, der mit dem Jugendstilgebäude verbunden wurde, fand der direkte Anschluss an den Friedrichsplatz statt. Nach dem Abriss konnte der Neubau von gmp dessen Platz übernehmen. Nun wird der Jugendstilbau ergänzt durch einen zeitgenössischen, vielschichtigen Bau, der seine architektonische Raffinesse nur Stück für Stück preisgibt. Als Haus der „Kunst für alle“ eröffnet er das Museum mit einem großen, 21 Meter hohen, öffentlich zugänglichen Atrium. Wie ein Marktplatz liegt dieser in der Mitte des Neubaus und vermittelt mit Treppen, Brücken, Galerien zwischen den verschiedenen Räumen und Niveaus des Museums. Die Stadt, mit ihren Gassen und Plätzen wird im Haus weitergeführt, die Straße und mit ihr der Stadtraum fließen gewissermaßen ins Museum. Und ziehen die Menschen mit. Das Museum von gmp wird zur „Stadt in der Stadt“.
Außergewöhnlich ist vor allem die Struktur des Gebäudes. An das zentrale Atrium docken sieben individuelle Kuben an, die sich nebeneinander reihen, stapeln und ineinander verschränken. Dazwischen immer wieder Freiräume, die als Wege, Blickachsen oder Dachterrasse dienen. Umhüllt und formal zusammengehalten von einer in einem Abstand von 1,10 Meter vor der Fassade montierten, durchlässigen Hülle aus Metallgewebe entsteht eine monolithische Gesamtkubatur. Inspiration und Ausgangspunkt für ihren Entwurf war den Architekt:innen die spezielle Struktur der Mannheimer Innenstadt. Die Stadt ist geprägt von großen Baublöcken, die ihr den Beinamen „Quadratestadt“ eingebracht haben. Diese Blockstruktur stammt nicht etwa aus der Moderne, die für ihre Reduktion auf klare geometrische Formen berühmt ist, sondern aus dem Barock. Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz ließ eine ideale Planstadt entwerfen, die in Häuserblocks statt in Straßenzügen angelegt ist. Die Kunsthalle ist eine Neuinterpretation dieser städtischen Blocks mit ihrer Vielfalt aus Häusern, Höfen und Gassen.
Architektur und Objekt
Meinhard von Gerkan (Mitte) und Nikolaus Goetze (rechts) mit Volkmar Sievers (links)
Foto: Timmo Schreiber
„Der vollendete Neubau der neuen Kunsthalle macht nun die Bezüge zur Stadt Mannheim für die Bürger sichtbar und vor allem erlebbar. Er verbindet Innen- und Außenräume, die Kunsthalle mit dem städtischen Leben und umgekehrt“, erläutert Architekt und gmp-Partner Nikolaus Goetze.
Ein Netz aus Edelstahl als Kubatur
Durch die offene Struktur des Gebäudes ergeben sich Blickbezüge zwischen den unterschiedlichen Ebenen und Räumen, zwischen Alt- und Neubau und aus dem Museum in die Stadt. So wie die Blickbeziehungen im Inneren für Orientierung der Besucherinnen und Besucher im Museum sorgen, erlauben es ihm die Ausblicke auf die Stadt immer wieder, sich auch in der Stadt zu verorten. Die Museums-Stadt verwebt sich mit dem umliegenden Stadtraum. Zugleich ergeben sich interessante Stadtimpressionen, beispielsweise auf den alten Wasserturm oder den Rosengarten. Am Abend, wenn die großflächigen Fenster hell erleuchtet sind, strahlen auch die beeindruckenden Innenräume des Museums nach außen. Am Tag bleibt der Blick eher an der räumlich komplexen Doppelfassade hängen, mit der die Architekt:innen dem vielschichtigen Bau seine blockartige Kubatur verliehen haben. Die äußeren Fassaden bestehen aus einem bronzierten Edelstahl-Netz, einem Mesh – wie es die Architekt:innen nennen.
Das weltweit einzigartige bronzefarbene Metallgewebe, das die sieben „Ausstellungshäuser“ umhüllt, wurde als Sonderanfertigung aus Edelstahldrähten, Rohren und vierkettigem Drahtkettseil gefertigt. Die jeweiligen Fassaden der sieben Ausstellungshäuser hingegen bestehen aus dunkelgrauen Faserzementplatten, die unsichtbar auf einer Unterkonstruktion aus Aluminium befestigt sind und einen zurückhaltenden Hintergrund für die transparente äußere Hülle liefern. Die Maschenweite im Gewebe ändert sich je nachdem, ob das Netz sich vor einem Baukörper oder vor einem Luftraum befindet und sorgt für Variationen in der Transparenz. Die Außenhaut der einzelnen Kuben mit ihrer steinernen, samtig matten Oberfläche wie auch das Metallnetz mit seinem speziell komponierten Bronze-Farbton sollen den Dialog zu dem in der baulichen Umgebung so prägenden Sandstein aufnehmen. Den Griff, den sie für das Museum gewählt haben, haben die Architekt:innen selbst entworfen.
Mit dem Drücker FSB 1244 bleibt gmp seinem Ideal treu, Dinge so einfach zu gestalten, dass sie inhaltlich und zeitlich Bestand haben. Entstanden ist ein Griff, der sich im Hintergrund hält und seinen starken Moment hat, wenn man ihn zu Greifen bekommt. „Wir arbeiten mit simplen geometrischen Mitteln, Kreis und Quadrat. Lediglich da, wo der Zeigefinger aufliegt, haben wir der Haptik wegen eine Mulde ausgearbeitet, um den Griff handschmeichelnd zu machen. Damit man ihn fest greifen kann. Das war unser Ziel: Aus der Haptik heraus mit wenigen geometrischen Mitteln einen Griff zu entwerfen. Der Griff entspringt der Tür in Form eines Kreises, als Rohr. Im Griff selbst wird das Rohr halbiert zum Halbkreis, der wiederum durch ein halbes Quadrat ergänzt wird,“ so Nikolaus Goetze im Interview mit FSB. Und hier schließt sich der Kreis der geometrischen Formen, die schon die Quadratestadt Mannheim prägen, deren besondere städtische Formen Inspiration für Mannheims neues Haus der Kunst waren.
Objektdetails
Fotos: © Lukac Diehl 2018
(Neubau der Kunsthalle Mannheim kurz vor Eröffnung)