Rathaus Korbach
ARGE agn-heimspielarchitekten
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Zerstörung mit Verstand
Der historische Rathausbau in Korbach geht auf das Jahr 1377 zurück – mit Rolandstatue, Arkaden, Treppengiebel auf der einen und prägnantem Türmchen auf der anderen Seite. Seit den 1970er Jahren wurde er durch einen bauzeittypischen Beton-Flachbau ergänzt, der sich im Rückblick betrachtet nicht recht mit dem Altbau zu einem neuen Ganzen fügen wollte. Folgerichtig wurde der Erweiterungsbau nun von der ARGE agn-heimspielarchitekten rückgebaut und durch einen Neubau ersetzt.
Anders als der 70er-Jahre-Bau übernimmt der Neubau sowohl die Traufkante als auch den Spitzgiebel vom mittelalterlichen Rathaus und schafft es, ein zusammengehöriges Ensemble entstehen zu lassen, ohne sich der bestehenden Architektur anzubiedern. Den großen architektonischen Auftritt überlässt der Neubau zurückhaltend dem historischen Nachbarn. Die zwei entwickelten Volumen folgen einfachen Kubaturen, sind mit ihren reduzierten Fensterreihungen klar gegliedert und fügen sich mit hellen Fassaden in die Korbacher Stadtlandschaft.
Im Vergleich zum bisherigen Bestand nimmt sich der Neubau in der Fläche zurück und eröffnet so neuen Raum inmitten der Innenstadt. Um die Volumen des Rathauses fließt der öffentliche Raum und bildet Gassen und Plätze aus, die der Stadt an dieser Stelle gut tun. Ein glasüberdachtes Bürgerforum eröffnet sich in der Mitte des Gebäudes am Rathausplatz mit einem dreigeschossigen Luftraum und sorgt mit seinen Galerieebenen auch für eine gute Orientierung im Inneren.
Architektur und Objekt
Marc Matzken von heimspielarchitekten und Christian Thomann von der agn, Projektleitung für das Rathaus Korbach
© ARGE agn-heimspielarchitekten
"Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung, zerstöre mit Verstand“ – die Architekten zitieren gerne den Schweizer Kollegen Luigi Snozzi, um ihr eigenes Architekturverständnis zu illustrieren.
Die Baustelle als städtische Mine
Heutzutage liegt mehr denn je der kritische Blick der Öffentlichkeit auf jedem „Rückbau“. Neben dem hohen CO2-Ausstoß beim Bauen und dem endlichen Vorrat an Rohstoffen, ist auch der in der Bauindustrie anfallende Müll ein enormes Problem. Möglichst viel Bestand zu erhalten, muss daher die oberste Prämisse sein. Im Falle des alten Rathausanbaus in Korbach handelte es sich allerdings um ein mit Waschbetonplatten verkleidetes Gebäude, das mit seinen aufwändigen Klimatisierungsanlagen und der allgemein veralteten technischen Gebäudeausrüstung dringend einer energetischen Sanierung bedurfte.
Für den Neubau des Rathauses wurde ein nachhaltiges Konzept gesucht, das sich als Modellprojekt für materialeffizientes Bauen eignet und dementsprechend auch wissenschaftlich begleitet wurde. Christian Thomann mit heimspielarchitekten haben die Wettbewerbsjury mit ihrem Entwurf und ihrem umgesetzten Urban-Mining-Konzept überzeugt. Hier wurde der Altbau als Rohstoffquelle für den Neubau genutzt. Gleichzeitig wurde so gebaut, dass künftige Generationen den heutigen Neubau „sortenrein“ werden rückbauen können, um möglichst alle Baustoffe wieder dem Materialkreislauf zuzuführen.
Auch Design, das nicht veraltet, ist nachhaltig. Für die Architekten des neuen Rathauses in Korbach ist das Griff-Modell FSB 1035, für das sie sich entschieden haben, schon jetzt ein Klassiker: „Wertig, zeitlos … - unser momentaner heimspiel-Liebling!“ Entworfen wurde es 1996 von der Innenarchitektin Heike Falkenberg. Die Bürotüren im neuen Rathaus sind mit Griffen aus Edelstahl ausgestattet, die Holzalufenster mit Steckgriffen in kontrastierendem mattschwarzem Alu, beide aus der gleichen FSB-Serie.
Objektdetails
Fotos: © Caspar Sessler