Frankfurt hat das Viertel zwischen Kaiserdom und Römerberg wiederaufgebaut

Altstadt ganz neu

29.03.19

Text: Alex­ander Stumm, Fotos: Dom Römer GmbH

Frank­furt am Main, die deut­sche Hoch­haus­stadt schlechthin, hat jetzt eine neue archi­tek­to­ni­sche Attrak­tion ganz anderer Natur. Nach fast 15 Jahren Planung konnte im ver­gan­genen Herbst die „Neue Alt­stadt“ eröffnet werden – ein rund 7.000 Qua­drat­meter großes Areal zwi­schen Dom und Römer­berg mit ins­ge­samt 35 ein­zelnen Häusern.

Die im Kern mit­tel­al­ter­liche Alt­stadt Frank­furts – ehemals Glanz der Stadt mit uner­mess­li­chem kunst­his­to­ri­schem Wert – war durch Bomben im Zweiten Welt­krieg weit­ge­hend in Schutt und Asche gelegt worden. Die Rekon­struk­tion des Areals zwi­schen Kai­serdom, Rathaus und Pauls­kirche begann 2012 nach dem Abriss des Tech­ni­schen Rat­hauses.

Das Rathaus hatte seit den 1970er Jahren an dieser Stelle gestanden. Heute zeigt sich das auch Dom-Römer-Quar­tier genannte Areal wieder in seiner klein­tei­ligen Glie­de­rung mit 35 Ein­zel­bauten, über­wie­gend Wohn­häuser.

Für FSB ist die neue Alt­stadt zugleich eine Art Frei­luft­aus­stel­lung: Ob Tür­griffe, Tür­knöpfe oder Schutz­be­schläge, hier lässt sich das gesamte Pro­dukt­sor­ti­ment für den Haus­ein­gang in den ver­schie­denen Modellen, Mate­ria­lien und Ober­flä­chen ent­de­cken.

Blick vom Dom über Frank­furt. Im Vor­der­grund die neue Alt­stadt, links davon die Kunst­halle Schirn. Dahinter Römer­berg, Pauls­kirche und die Hoch­häuser des Ban­ken­vier­tels.
(Foto: Dom Römer / Uwe Dettmar)

Das Haus „Goldene Waage“ direkt am Dom war einst ein Wahr­zei­chen der Stadt. Nun ist es nach Plänen von Jourdan & Müller so ori­gi­nal­ge­treu wie möglich wie­der­er­standen. (Fotos: Dom Römer / links Uwe Dettmar, rechts Barbara Stau­bach)

Was mit­unter pau­schal als „Rekon­struk­tion“ bezeichnet wird, ver­sam­melt eigent­lich ein ganzes Spek­trum an unter­schied­li­chen archi­tek­to­ni­schen Her­an­ge­hens­weisen. So besteht die neue Alt­stadt sowohl aus annä­hernd akku­raten Rekon­struk­tionen als auch aus his­to­risch inspi­rierten Inter­pre­ta­tionen und frei erfun­denen Neu­bauten. Die Maxime eines ori­gi­nal­ge­treuen Wie­der­auf­baus ver­folgte man ins­be­son­dere beim Haus „Gol­denen Waage“.

Der Kauf­mann Abraham van Hamel hatte ein im Kern mit­tel­al­ter­li­ches Fach­werk­haus im Jahre 1619 im Stil der Spät­re­nais­sance mit hohem Giebel pracht­voll umbauen lassen. Beim ver­hee­renden Luft­an­griff vom 22. März 1944 wurde es schwer beschä­digt und nach dem Krieg abge­räumt. Das Frank­furter Büro Jourdan & Müller Archi­tekten bauten dieses ehe­ma­lige Wahr­zei­chen der Stadt dank auf­wän­diger Recherche und einiger erhal­tener Frag­mente nun im Vor­kriegs­zu­stand nach.

Die rekon­stru­ierte Fassade ist geprägt von dem markant rot gestri­chenen Fach­werk, den vielen flo­ralen Ver­zie­rungen und der namen­ge­benden Gold­waage, die auf Höhe des ersten Ober­ge­schosses über den Pas­santen hängt. Frei­lich ist der drei­stö­ckige Bau nach heu­tigen Bau­vor­schriften und mit zeit­ge­mäßer Aus­stat­tung errichtet. Im Inneren befinden sich ein Café sowie eine Außen­stelle des His­to­ri­schen Museums.

Das „Alte Kaufhaus“ von Morger Dettli Architekten aus der Schweiz.



Das „Alte Kauf­haus“ von Morger + Dettli Archi­tekten dagegen zeigt, wie ein his­to­ri­scher Bau kon­zep­tuell auf­ge­griffen und in eine zeit­ge­nös­si­sche Form über­setzt werden kann. Das schmale Häus­chen mit ledig­lich einer Fens­ter­achse nimmt die Stock­werks­glie­de­rung und das wohl­pro­por­tio­nierte Gie­bel­dach seines Vor­bilds auf. Die voll­kommen schmuck­lose, rost­braune Fas­sa­den­ge­stal­tung macht es jedoch zu einem dezi­diert zeit­ge­nös­si­schen Bauwerk. Das Wohn­ge­bäude vereint die jahr­hun­der­te­alte, städ­ti­sche Haus­bau­tra­di­tion mit einer modernen For­men­sprache. Die Archi­tekten selbst nennen ihren Entwurf eine „datier­bare Zeit­lo­sig­keit“.

Das „Neue Paradies“ von Johannes Götz + Guido Lohmann aus Köln.

(beide Fotos: Dom Römer)

Noch einen Schritt weiter gehen Johannes Götz + Guido Lohmann mit dem Projekt „Neues Para­dies“. Hier erin­nert nur noch das Volumen an die städ­te­bau­li­chen Vor­gaben. Mit einem selbst­be­wussten Gestus machen die Archi­tekt:innen die für die his­to­ri­sche Alt­stadt so typi­schen Schin­deln aus Schiefer zum maß­geb­li­ches Gestal­tungs­ele­ment ihres Ent­wurfs. Die vier­stö­ckige Fassade ist durch inein­ander ver­schach­telte Dach­firste geglie­dert. Die eigen­wil­ligen Zacken­formen irri­tieren – und führen den Besu­cher:innen zwin­kernd vor Augen, dass das Dom-Römer-Quar­tier kei­nes­falls Hun­derte von Jahren alt ist, sondern eine Schöp­fung des 21. Jahr­hun­derts.

Bild 1 von 3: Der neu erstan­dene „Hüh­ner­markt“ mit dem Stoltze-Brunnen
(Foto: Dom Römer / Uwe Dettmar)

Bild 2 von 3: Blick über den Hüh­ner­markt, rechts das Haus „Neues Para­dies“
(Foto: Dom Römer / Uwe Dettmar)

Bild 3 von 3: Links das Haus in der Brau­bach­straße 23 von Ein­gartner Khor­rami Archi­tekten. Rechts das „Haus am Reb­stock“, eben­falls eine Rekon­struk­tion von Jourdan & Müller
(beide Fotos: Dom / Römer)

Denn die his­to­ri­sche Alt­stadt von Frank­furt ist und bleibt unwie­der­bring­lich ver­loren. Ein „Zurück“ kann und soll das neue Viertel auch nicht sein. Unab­hängig von der Qua­lität der ein­zelnen Ent­würfe zeigt das städ­te­bau­liche Groß­pro­jekt mit seiner Mischung unter­schied­li­cher Ansätze den viel­ge­stal­tigen Spiel­raum, den die Bau­auf­gabe Rekon­struk­tion in der Gegen­wart eröffnet.

Bis Sonntag, 12. Mai 2019, zeigte das Deut­sche Archi­tek­tur­mu­seum (DAM ) in Frank­furt eine sehens­werte Aus­stel­lung über die Geschichte der Alt­stadt und ihren Wie­der­aufbau mit dem Titel „Die immer neue Alt­stadt Bauen zwi­schen Dom und Römer seit 1900“.