Jugendkirche Hardehausen
Schilling Architekten
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Kirche der Annäherung
Idyllisch liegt das Kloster Hardehausen in einem von Feldern und Wiesen geprägten Tal. Große rot gedeckte Dächer kennzeichnen die von einer alten Mauer umgebene Anlage. Bereits 1140 erbaut, gilt sie als erste Niederlassung des Zisterzienserordens in Westfalen. Im Inneren der Mauer eröffnet sich ein Ensemble großer Bauten, deren Positionierung einer klaren geometrischen Ordnung folgt. Erhalten sind unter anderem ein frühgotischer Kreuzgang, Mauerreste der Säulenbasilika aus dem 12. und die Marienkapelle aus dem 13. Jahrhundert. Auch die Parkanlage mit ihren Fischteichen und das Gartenhaus des Barockbaumeisters Franz Christoph Nagel zeugen von der einstigen wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung des Ortes.
Im Dreißigjährigen Krieg zerstört, wurde das Kloster zwischen 1680 und 1750 wiederaufgebaut, unter Napoleon jedoch säkularisiert. Im Dritten Reich wurde die historische Anlage kurzfristig als „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ genutzt. Ab 1945 entschied das Erzbistum Paderborn, im ehemaligen Kloster ein Zentrum für Jugendarbeit sowie die Landvolkshochschule einzurichten. In den 1960ern wurde eine neue Kirche gebaut und die Anlage für Jugend- und Tagungseinrichtungen umgestaltet. Es entstanden Herbergen mit Seminarräumen, Speisesälen, Jugendcafé und Weltladen und in die alten Mauern zog lebendige Campusatmosphäre ein.
Mit seinem an jugendlichen Interessen ausgerichteten Programm bietet der Ort heute ein vielfältiges Angebot, das Bildung, Persönlichkeitserfahrung und diverse kulturelle Veranstaltungen umfasst. So kam der Wunsch auf, auch mit den Kirchenräumen auf die Interessen und Sichtweisen heutiger Jugendlicher einzugehen. Nicht nur, dass viele Jugendliche heute ohne Glaubenshintergrund aufwachsen. Durch die rasante Weiterentwicklung der Informationstechnologien verändern sich auch die Sehgewohnheiten und Verständnisweisen junger Menschen.
Architektur und Objekt
Johannes Schilling
Foto: © Klemens Renner
Raumcharakteristika und Beziehungen zum Gesamtgefüge erleben und interpretieren lassen. Dadurch wird ein Weg der Annäherung und der Ideen geschaffen, der gleichzeitig auch vielfältige Dimensionen der Erzählung von Glauben in sich birgt“, so die Architekt:innen zu ihrem Entwurf.
Heilige Räume für Jugendliche von Heute
„Vor dem Hintergrund der Frage, wie junge Menschen die Welt erfahren, über den Sinn ihres Lebens denken und einen Bezug zu Gott finden, war es eine lohnende und spannende Aufgabe, gemeinsam über das Wesen und die Eigenschaften eines sakralen Raums nachzudenken.“ Schilling Architekten haben gemeinsam mit jungen Menschen, unter anderem Studierenden der Theologie und Architektur, über die Grundlagen ihres Entwurfs diskutiert. Das Ergebnis ist eine Kirche mit minimalistischen, miteinander kommunizierenden Räumlichkeiten, die sich mal großflächig zu Außenraum und Natur öffnen, mal geschlossen und sehr intim wirken. Die Räume folgen dem Grundgedanken, möglichst viele wirkliche Erfahrungen zu ermöglichen. Raum, Wort, Bild und Musik als stärkste Medien menschlicher Kommunikation sollen sich hier auf besondere Weise entfalten. In Raumfolgen, die unterschiedliche Atmosphären eröffnen, entstehen Orte der Gemeinschaft wie auch meditative Orte.
Befreit von inszenierten Klischees und übertriebener Gestik entsteht reduzierte Architektur, die der eigenen Erfahrung Raum gibt. Auch bildende Kunst, Projektionen, Text- und Videoinstallationen spielen dabei eine Rolle. Von der vorherigen Kirche sind das Tragwerk und das hohe Zeltdach übriggeblieben. Die große Neuerung besteht in der Öffnung, Ergänzung und Vernetzung des liturgischen Raums.
Ein Umgang legt sich um den Kirchensaal und schließt diesen zu einem Gefüge aus Räumen zusammen. So kann man seinen ganz eigenen Weg zum Gottesdienst finden. Es entsteht ein persönlicher Weg der Annäherung, indem sich eigene Vorstellungen entwickeln können. Vom Vorplatz strahlt die Kirche Transparenz aus. Zur Landschaft entfaltet sie eine starke Skulpturalität, die die innere Raumfolge auch nach außen vermittelt.
Anders als ihr Vorgängerbau aus den 60er Jahren zeichnet sich die neue Kirche von Schilling Architekten durch die helle und freundliche Atmosphäre in ihrem Inneren aus. Auch der Einsatz der Materialien – Wände aus natürlichem Putz, Eichenholzdielung, weite Fenster – spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die gewählten FSB-Drücker 1004 sind ein Modell des Architekten David Chipperfield. Inspiriert von den Vorreitern der Moderne entwarf er einen gradlinigen funktionalen Griff mit eckiger Handhabe und Rosette. In Bronze verbaut, unterstreichen die Drücker die zurückgenommene moderne Kirchenarchitektur.
Objektdetails
Fotos: © Christian Richters, Berlin