Erweiterung Bündner Kunstmuseum, Chur
Estudio Barozzi Veiga
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Immer auf der Suche nach dem Spezifischen
Der Schweizer Kanton Graubünden ist bekannt für seine Architekturlandschaft mit der weltweit wohl höchsten Dichte an Vorzeigebauten je Einwohner:in. Verantwortlich für diese Entwicklung ist Peter Zumthor, der 1968 nach Chur zog und Kollegen wie Gion A. Caminada, Valerio Olgiati oder Bearth & Deplazes den Weg ebnete. Über die Jahre flaute der baukünstlerische Elan jedoch ab. Mit dem neuen Erweiterungsbau des Bündner Kunstmuseums brachte das Estudio Barozzi Veiga aus Barcelona wieder neuen Wind in die Szene.
Das italienisch-spanische Team Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga hat eine ganz eigene Art, sich mit einem Bauvorhaben auseinanderzusetzen: „Wir nähern uns immer auf dieselbe Weise einem Ort: Erst wollen wir ihn verstehen, dann ein Gefühl für ihn entwickeln und schließlich all das in unsere Arbeitsweise übersetzen. Wir suchen immer das Spezifische“.
Im Falle des Bündner Kunstmuseums bestand das Spezifische vor allem in der Verbindung mit dem „Stammsitz“ der Bündner Kunstsammlung, der denkmalgeschützten Villa Planta (Baujahr 1874 bis 1876). Barozzi/Veiga entwarfen einen eleganten, 18 Meter hohen Kubus, der „die palladianische Villa Planta abstrakt uminterpretiert“. Die Fassade, bestehend aus lauter quadratischen 50 x 50 cm Kassetten aus Stahlbeton, schafft einen direkten Bezug zu den ornamentalen Elementen in der Villa. „Über die Fassade konnten wir den Erweiterungsbau mit dem ursprünglichen Bau verbinden“ so Barozzi. Die Ornamentik der Kassetten wurde von Barozzi/Veiga eigens für den Bau entwickelt. Der Neubau, der den abgerissenen Sulserbau ersetzt, besticht vor allem durch seine klare Form und das Zusammenspiel mit der Villa Planta. „Das Museum setzt dabei einen starken städtebaulichen Akzent und schafft einen Mehrwert im Stadtbild von Chur“, resümiert Kantonsbaumeister Markus Dünner.
In der Schweiz stünden laut Barozzi/Veiga großartige Gebäude oft isoliert nebeneinander. Ihre Architektur hingegen soll auch verbinden. Barozzi/Veiga suchten nach einem Gleichgewicht zwischen dem Erweiterungsbau, der Villa Planta, dem Garten und der Umgebung. Der Neubau ist zugleich eingebunden und verfügt trotzdem über einen eigenständigen Charakter. Das ist auch der Grund, warum die Architekten den Außenraum stark minimiert und die Ausstellungsräume in den Untergrund verlegt haben. „Der Bau bildet eine Balance zwischen Kontext und Eigenständigkeit“, erklärt Veiga.
Architektur und Objekt
Foto: Juan Hevia, © Estudio Barozzi Veiga
Estudio Barozzi Veiga: „Wir nähern uns immer auf dieselbe Weise einem Ort: Erst wollen wir ihn verstehen, dann ein Gefühl für ihn entwickeln und schließlich all das in unsere Arbeitsweise übersetzen. Wir suchen immer das Spezifische.“
Architektur, die verbindet
Im Innern haben die Architekten mit der gleichen Klarheit geplant. Durch eine niedrige Glastür, die eingebettet ist in einen schmalen und hoch aufstrebenden Rahmen, gelangt man in das weite und lichtdurchflutete fünf Meter hohe Foyer. Ein raumhohes Fenster nach Westen stellt den Bezug zur Villa Planta her und setzt sie dabei wie ein gerahmtes Kunstwerk in Szene.
Im Obergeschoss befindet sich das sogenannte Labor, eine kleine Kunsthalle innerhalb des Museums, in die regelmäßig Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden sollen, um für diesen Raum neue Arbeiten zu entwickeln. Die anderen Ausstellungssäle befinden sich unter der Erde.
Zwei Treppenhäuser aus Sichtbeton führen in die Ausstellungsebenen im ersten und zweiten Untergeschoss. Hier haben die Architekten durch den Einzug von Beleuchtungsdecken aus zwei Schichten Fiberglas das LED-Licht weicher gemacht und eine gleichmäßige, dem Tageslicht ähnliche Lichtsituation geschaffen. Vom ersten Untergeschoss aus führt eine Treppe ins unterirdische Kabinett der Villa Planta, die übrigens parallel zur Entstehung des Neubaus durch den aus Chur stammenden Gredig Walser saniert und auf den heutigen technischen Stand gebracht wurde. Die Verbindung der beiden Bauten wollten die Architekten so natürlich wie möglich gestalten.
Und dort wo es Türen zu überwinden gilt, haben sich die Architekten ganz bewusst für das Türdrückermodell FSB 1035 und 1031 entschieden. Die klare Griffgestaltung mit ihrem reduzierten, kantigen Design und der quadratischen Rosette füge sich nahtlos in die Formensprache der Architektur ein, so Barozzi/Veiga. Zudem habe die zeitlose Eleganz der Drücker wieder einen vermittelnden Charakter zwischen den beiden Bauten aus unterschiedlichen Epochen. „Das Museum soll ein lebendiger Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunst sein, der eine positive Ausstrahlung hat“, so Stephan Kunz, Direktor des Bündner Kunstmuseum Chur. Die Architekten haben diesem Ziel auf allen Ebenen und bis ins kleinste Detail Rechnung getragen.
Objektdetails
Fotos: Simon Menges