Augusteum, Lutherstadt Wittenberg
BHBVT Architekten
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Entlastung durch Neubau und Auslagerung
Seit 1990 ist es der Stadt Wittenberg wie vielleicht kaum einer anderen ostdeutschen Stadt gelungen, eine beeindruckende Wende in ihrer Stadtentwicklung hinzulegen. Unter dem Sanierungsträger SALEG (Sachsen-Anhaltinische Landesentwicklungsgesellschaft) und mit finanzieller Unterstützung von EU, BUND und Land wurden historische Bäche offengelegt, Kirchen restauriert, Altbaufassaden saniert, ein Plattenbaugebiet rückgebaut und umgestaltet, die Innenstadt umstrukturiert…
Auch wenn das Augusteum gewissermaßen als Tafelsilber der Stadt gelten mag, noch dazu im Jahr des großen Luther- und Reformationsgedenkens –, so ist dessen gelungene Sanierung und Erweiterung nur eine unter vielen Unternehmungen in dieser enormen Neuformierung der Stadt.
Das 2016 wieder eröffnete Augusteum ist Teil eines Ensembles, das im Laufe seiner bereits 430 Jahre dauernden Geschichte geprägt wurde durch Umbauten, Umnutzungen und Erweiterungen. 1504 wurde der Bau mit einem Südflügel als Augustiner-Kloster begonnen. Im heutigen „Lutherhaus“ fand auch Martin Luther Unterkunft, zuerst als Mönch, später wurde das Haus ihm und seiner Familie übereignet. Das ursprünglich als 4-Seiten-Anlage geplante Kloster wurde nie fertiggestellt, stattdessen ließ der sächsische Kurfürst August zwischen 1564 und 1586 einen Nord- und Westflügel zur Erweiterung der Wittenberger Universität errichten – das Augusteum. Im Lutherhaus befindet sich heute das größte reformationsgeschichtliche Museum der Welt. Die dortige Dauerausstellung wird ergänzt durch Sonderausstellungen im Augusteum.
Für die Architekten Bruno Vennes und Stefan Tebroke vom Berliner Büro BHBVT Architekten war die Ausgangslage am Bau nicht einfach, als sie mit einer erneuten Sanierung und einer Erweiterung beauftragt wurden. Angesichts von durchgebogenen Balken und Säulen mit in der Luft hängenden Enden sprach Vennes von einer „statischen Katastrophe“. Dass ihnen dennoch eine so gelungene Neufassung des denkmalgeschützten Baus gelungen ist, hängt unter anderem an der nicht neuen aber einfach guten Idee, die wichtigen Museumsfunktionen in ein eigenes, neugebautes Eingangsgebäude zu legen und somit den Bestand davon zu entlasten. In einem schmalen, langgezogenen Neubau befinden sich nun Garderobe, Kasse, Toiletten und Museumsshop. Der Bau, der nun eine direkte Verbindung zwischen Lutherhaus und Augusteum schafft, ist transparent und quasi schmucklos.
Architektur und Objekt
Foto: Elmar Schwarze
Bauten sollten stimmige Antworten auf die Orte geben, an denen sie stehen. Daher ist jedes Projekt ein Unikat, das nur an diesem Ort so aussehen kann wie von uns gedacht. Zusammenhänge werden aufgegriffen und zu etwas neuem transformiert. So entstehen Gebäude von hohem Wiedererkennungswert, die sich dennoch wie selbstverständlich in ihre Umgebung einfügen.
Alt und Neu miteinander verbunden
Durch seine schmalen sandsteinfarbenen Fertigteilstützen wirkt er wie eine Pergola und erinnert so an klassische alte Klosterarchitektur. Farblich lehnt er sich trotz seiner Modernität an die Altbauten an. Durch seine verglaste Wand zum Hof hin gibt er – gewissermaßen als Schaufenster – den Blick auf die alte Hofmauer frei, die Teil der ehemaligen Stadtbefestigungsanlage war. Um einige Reihen mit Ziegelsteinen aufgemauert, dient sie als Rückwand des neuen Zweckbaus. Im Inneren ist alles schlicht und funktional gehalten, die Ästhetik vor allem auf Geometrie setzend. Linien strukturieren den Bau, sowohl was die Front zum Innenhof angeht, als auch das ebenfalls verglaste Dach. Durch das viele Glas ist der Eingangsbereich, als Verbindungsstück zwischen Augusteum und Lutherhaus ein sehr leichter Bau geworden und auch eine kleine Ruheoase mit Blick in den Garten des Vierseitenensembles. Als vierte Seite greift das Gebäude im Übrigen einen ursprünglich geplanten, aber nie realisierten Ostflügel der Klosteranlage auf und vollendet so die vierseitige Schließung des Hofes.
Bei der Wahl der Griffe haben die Architekt:innen besonders auf den Kontext der bestehenden historischen Beschläge geachtet. Da es sich hier um ein hochwertiges Denkmal handelt, wurde bei der Gestaltung bewusst auf bereits vorhandene Materialien und Farbigkeit eingegangen, so dass sich insgesamt zwischen Alt und Neu ein abgestimmtes Bild ergibt, wie die Architekt:innen selbst betonen. Und in der Tat, die eingebauten Tür- und Fensterbeschläge FSB 10 1163 in Bronze mit ihrem sanften Schwung passen sich hervorragend ein. Das am Stil der 1930er Jahre orientierte Design von Hans Kollhoff ergänzt die dezente Ästhetik der übrigen funktionalen Elemente, wie die kantigen Geländerzüge in den Treppenhäusern und die schlichten, dunkel gefassten Glastüren. Gerade Funktionalität, Ästhetik und Eleganz sind es, die die Architekt:innen von Hans Kollhoffs Design überzeugt haben.
Anlässlich des Cranach-Jahrs 2015 wurde das neue Eingangsgebäude eingeweiht und das zum UNESCO Weltkulturerbe gehörende Augusteum wiedereröffnet. Das Projekt erhielt eine Auszeichnung im Architekturpreis des Landes Sachsen-Anhalt 2016. Und 2017, nach weiteren Sanierungsschritten steht dem Gebäude-Ensemble mit dem Luther-Jahr der wohl größte Menschenandrang seiner Bestandsgeschichte bevor…
Objektdetails
Fotos: Werner Huthmacher