Neue Nationalgalerie Berlin
David Chipperfield Architects
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Der unsichtbare Architekt
Wohl jede architekturschaffende Person liebt es, Ideen und Visionen an eigenen Gebäudeentwürfen ausformulieren und präsentieren zu können. Die Sanierung von Bestand bietet meist wenig sichtbaren eigenen Gestaltungsspielraum. Dennoch vermag die bloße zeitgemäße Ertüchtigung hinsichtlich Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Feuerschutz durch die Änderung von Detaillösungen das Gesicht eines Gebäudes komplett zu entstellen. Man braucht nur an die Fassade manches Gründerzeithauses mit neu eingesetzten, energieeffizienten Fenstern zu denken: Bereits die Vergrößerung der Rahmenbreiten bringt mit Leichtigkeit eine zuvor durchdachte Geometrie aus dem Gleichgewicht.
Diese Relevanz jedes Details und gerade der Wunsch, als Architekt:in möglichst wenig sichtbare Spuren zu hinterlassen, waren die großen Herausforderungen bei der Sanierung der zwischen 1961 und 1968 erbauten Neuen Nationalgalerie in Berlin. Der Museumsbau von Mies van der Rohe gilt als Ikone der modernen Architektur und kein Geringerer als der Architekt David Chipperfield, der unter anderem auch mit seiner Revitalisierung des Neuen Museums in Berlin für Aufsehen gesorgt hat, hat sich ihrer mit seinem Team angenommen. Die Leistung der Architekt:innen lag in diesem Fall vor allem darin, den ständigen Kompromiss zwischen Historikern und Fachplanern herzustellen.
Also den ursprünglichen Entwurf in höchstmöglichem Maße zu schützen und dennoch Raum für die Fachplaner:innen zu schaffen, die Leistung des Gebäudes mit zeitgemäßen Mitteln zu verbessern. Es wurden rund 35.000 Originalbauteile – darunter 2.500 Quadratmeter Natursteinplatten – demontiert, restauriert und wieder eingebaut. Gleichzeitig ertüchtigen 1.600 Quadratmeter neues Glas den Bau energetisch und bautechnisch. Durch die Entscheidung, bei der Einfachverglasung zu bleiben und ein Verbundsicherheitsglas von 2x12 Millimetern Dicke zu verwenden, konnte die filigrane Leichtigkeit der Fassade erhalten bleiben.
Architektur und Objekt
Foto: © Ingrid von Kruse
„Dem Bauherrn war es wichtig, dass derjenige, der das Projekt übernimmt, Mies van der Rohe nicht herausfordert. Im Gebäude ist nur für einen Architekten Platz. Das mag bescheiden klingen, ist es aber nicht – es ist offensichtlich“, so fasst David Chipperfield den Ansatz zusammen, bei dieser Sanierung möglichst wenig sichtbare Spuren zu hinterlassen.
Das moderne Museum als öffentlicher Tempel
Die Architektur des Museums folgt der Maxime „Weniger ist mehr“ und wendet sich der Stadt mit großer Offenheit zu. Mies van der Rohe hat es als zweiteiliges Gebäude geplant, mit einer tempelartigen Halle, zu der man hinaufsteigt und einem Sockel, der die eigentlichen Ausstellungsräume beinhaltet. Ihre Atmosphäre entfalten die einfachen Räume im Untergeschoss durch das Zusammenwirken mit dem sich anschließenden, von der Großstadtwelt vollkommen abgeschirmten Garten. Herzstück des Museums ist die vollkommen stützenfreie und vollständig verglaste, neun Meter hohe Halle, mit der der Besucher das Museum betritt. David Chipperfield hebt die Bedeutung des Plans in den Gebäuden von Mies van der Rohe hervor.
Während mancher Bau es ohne Weiteres erlaube, etwa zeitgemäße Erschließungssysteme oder Toiletten einzubauen, da die Architektur vor allem durch das Erleben der Raumfolge wirke, entfalten die Grundrisse von Mies van der Rohe fast den Charakter eines Kunstwerks. Die Neue Nationalgalerie hat zumindest eine barrierefreie Außenrampe und einen Aufzug bekommen. Der größte räumliche Eingriff ist die Umnutzung ehemaliger Depotflächen als Garderobe und Museumsshop. Um diese vom Bestand abzugrenzen, ohne eine eigene Signatur ins Spiel zu bringen, wurde die strukturierte Sichtbetondecke der alten Depoträume als Zeichen erhalten. Eingehend haben sich David Chipperfield Architects mit den Türbeschlägen beschäftigt.
Aus dem Wunsch heraus, möglichst viel Ursprüngliches zu erhalten und auch die entstandene Patina wenigstens in Teilen zu bewahren, wurde bei einer Vielzahl von Türen der Originaldrücker aus den 1960er Jahren wieder eingebaut. Gemeinsam mit den Architekt:innen wurde ein FSB-Griff entwickelt, der altersschwache Beschläge künftig ersetzen kann. Als Sonderlösung für die Fluchttüren entstand das Design FSB 1045 als senkrecht stehender Standflügeltürdrücker mit grün ausgelegtem Pfeil. Die WC-Türen wurden ausgestattet mit dem speziell angepassten Modell FSB 1015 mit individuell ausgewählten WC-Rosetten auf der Innen- und Außenseite.
Objektdetails
Fotos: © Simon Menges