Das neue Image des Wohnhochhauses

Luft nach oben

14.09.18

New York, Dubai, Tokio, London – in vielen Metro­polen bestimmt das Wohn­hoch­haus das Bild der Stadt. Stei­gender Wohn­raum­mangel und die damit ver­bun­dene Ver­dich­tung der Groß­städte machen diesen Bautyp auch in Deutsch­land immer rele­vanter. Mit atem­be­rau­bendem Aus­blick zu wohnen ist en vogue, ins­be­son­dere bei einer zah­lungs­kräf­tigen Kli­entel, die Wert auf erst­klas­sige Aus­stat­tungen und groß­zü­gige Grund­risse legt. Werden die deut­schen Städte also künftig in die Höhe wachsen?

Mit 140 Metern eines der höchsten Wohn­hoch­häuser Deutsch­lands: der neue Hen­ninger Turm von Meixner Schlüter Wendt Archi­tekten in Frank­furt. Die Woh­nungen sind aus­ge­stattet mit dem FSB-Tür­griff 1076 in Edel­stahl. (Foto: Norbert Migu­letz)

„Gegen­wärtig erleben wir eine Art Renais­sance von Wohn­hoch­häu­sern, die mit extrem hoch­wer­tigem Wohnen ver­knüpft sind“, sagt Florian Schlüter von Meixner Schlüter Wendt Archi­tekten aus Frank­furt.

Er erklärt: „Das Vor­ur­teil bezüg­lich der Wohn­hoch­häuser aus den 60er und 70er Jahren, die als Syn­onyme für den Mas­sen­woh­nungsbau gelten, wird gerade revi­diert. Ent­schei­dend ist dabei, sich von den Bauten der 1970er Jahre abzu­setzen, hoch­wer­tige Stan­dards ein­zu­führen und Qua­li­täten des indi­vi­du­ellen Wohnens zu ent­wi­ckeln“, so der Archi­tekt.

Deut­lich wird dieser Ansatz mit dem Hen­ninger Turm, den Meixner Schlüter Wendt Archi­tekten ver­gan­genes Jahr in Frank­furt am Main fer­tig­stellten. Das „emo­tio­nale Denkmal“, wie das Büro den Turm bezeichnet, ent­stand an der Stelle eines 120 Meter hohen und 2013 abge­ris­senen Getrei­de­silos.

„Der ursprüng­liche Turm war zu seiner Zeit inno­vativ und spielte im Bewusst­sein der Frank­furter Bevöl­ke­rung eine große Rolle. Dieses Bild wollten wir erhalten und trans­for­mieren“, erklärt Schlüter.

Mit 140 Metern ist der Turm eines der höchsten Wohn­häuser Deutsch­lands, der Qua­drat­me­ter­preis der Appar­te­ments liegt hier zwi­schen 4.700 und 9.500 Euro. „Beson­deres Augen­merk legten wir auf die Kul­ti­vie­rung des Außen­raums“, so Schlüter. Denn gelun­gene Ver­bin­dungen zur städ­ti­schen Umge­bung mit Ele­menten wie Loggien, Bal­konen und Win­ter­gärten machen laut Schlüter das Hoch­haus attraktiv für die Wohn­nut­zung.

„Die größte Dif­fe­renz zu Wohn­hoch­häu­sern der Ver­gan­gen­heit besteht in den öffent­li­chen Berei­chen. Sie müssen beson­dere Qua­li­täten auf­weisen, damit sich öffent­li­ches Leben ent­falten kann. Eine große Rolle spielt dabei auch die Ein­gangs­halle mit Con­cierge, die sich nach unseren aktu­ellen Erfah­rungen als leb­hafter Treff­punkt erweist“, sagt der Archi­tekt. Ins­ge­samt erwartet Schlüter auch in Zukunft eine posi­tive Ent­wick­lung des Wohn­hoch­hauses: „Der Typus wird wei­terhin an Popu­la­rität hin­zu­ge­winnen. In Frank­furt befinden sich mehrere Pro­jekte im Bau, und andere deut­sche Städte werden früher oder später nach­ziehen – wobei Frank­furt durch die inzwi­schen geliebte Skyline eine deut­liche Vor­rei­ter­rolle ein­nimmt“, so Schlüter.

Florian Schlüter von Meixner Schlüter Wendt Archi­tekten aus Frank­furt. (Foto: Meixner Schlüter Wendt)

Der Hen­ninger Turm steht im Frank­furter Stadt­teil Sach­sen­hausen. (Foto: Chris­toph Kra­ne­burg)

Frank­furt geht voran, und Städte mit weniger mar­kanten Sky­lines folgen. In der Ade­nau­er­allee in Hamburg etwa bauen Störmer Murphy and Part­ners (Hamburg) einen 55 Meter hohen Turm mit 113 Wohn­ein­heiten auf 17 Geschossen. Im unmit­tel­baren Kontext finden sich Häuser mit Höhen von bis zu 90 Metern aber auch deut­lich nied­ri­gerer Bebauung.

Sich in der Höhe, aber auch in Mate­ria­lität und Far­big­keit har­mo­nisch in den Bestand ein­zu­fügen, war wesent­li­cher Bestand­teil des Ent­wurfs­kon­zepts. Dass das Wohn­hoch­haus sich zuneh­mend eines posi­tiven Anse­hens erfreut, sieht Holger Jae­dicke von Störmer Murphy and Part­ners darin begründet, dass es sich „weg vom Image der Sozi­albau-Groß­sied­lungen, hin zum hoch­wer­tigen Soli­tär­woh­nungsbau in gewach­sener, zen­traler Innen­stadt­lage“ ent­wickle.

Da die Men­schen wieder urban leben wollen, sei grund­sätz­lich die Nach­frage nach diesem Bau­typus gestiegen. För­der­lich sei auch die Haltung der Politik, die die Attrak­ti­vität von Wohn­hoch­häu­sern für Ent­wickler und Inves­toren stei­gert – zuvor seien fast aus­schließ­lich Büro­flä­chen rea­li­siert worden. So wird die einst unbe­liebte Bau­ty­po­logie zum adäquaten Element im urbanen Kontext.

Bild 1 von 6: In Stock­holm stellt Rem Kool­haas‘ Büro OMA gerade zwei Wohn­hoch­häuser fertig, die „Norra Tornen“, auf Deutsch: Nord­türme. Auf­fällig ist die ver­schach­telte Fassade. (alle Visua­li­sie­rungen: OMA)

Bild 2 von 6: Die Dop­pel­türme bilden ein neues Tor zur Stadt, zu sehen in der Bild­mitte rechts. Dahinter die Stock­holmer Innen­stadt mit Rathaus und Hafen.

Bild 3 von 6

Bild 4 von 6: Teil der Aus­stat­tung in den Dop­pel­türmen: Beschläge aus der Pro­dukt­fa­milie FSB 1023 in Edel­stahl und in Bronze.

Bild 5 von 6: In der Ade­nau­er­allee in Hamburg bauen Störmer Murphy and Part­ners gerade einen 55 Meter hohen Turm mit 113 Wohn­ein­heiten auf 17 Geschossen. (alle Visua­li­sie­rung: Störmer, Murphy and Part­ners)

Bild 6 von 6: Für die Woh­nungs­türen haben die Archi­tekten den FSB-Schutz­be­schlag 7360 in Edel­stahl aus­ge­wählt.

Anders als im homo­genen Hamburg werden die 130 Meter hohen „Norra Tornen“, die derzeit von OMA (Rot­terdam) und Oscar Pro­per­ties (Stock­holm) in Stock­holm rea­li­siert werden, deut­lich über ihre Umge­bung hin­aus­ragen. Die Dop­pel­türme bilden eine Mischung aus Plat­tenbau und Turm und ver­einen damit Ele­mente beider Typo­lo­gien, die man laut Archi­tekt:innen nor­ma­ler­weise „mög­lichst ver­meiden möchte“.

Der ver­schach­telte, sich kas­ka­den­artig ent­wi­ckelnde Bau, dessen Kubatur den Planern vor­ge­geben war, ver­meidet zu strenge Sym­me­trien, indem die Planer:innen im Entwurf zusätz­liche hori­zon­tale Ele­mente ergänzten. 180 Appar­te­ments ent­stehen im künf­tigen „Tor zur Stadt“, dessen monu­men­tale Geste durchaus beab­sich­tigt ist. Ob rau, markant und mit ein wenig Ost­block-Charme oder exklusiv, har­mo­nisch mit ele­ganter Gestal­tung der öffent­li­chen Bereiche und Außen­räume – in jedem Fall wachsen die euro­päi­schen Städte derzeit hoch hinaus und zeigen Vari­anten auf, der Woh­nungsnot in Bal­lungs­zen­tren Herr zu werden.

Ein alter­na­tiver Trend bringt einen wei­teren Typ des Wohn­hoch­hauses hervor: Die 60 Meter hohe „Wild­spitze“ von Störmer Murphy and Part­ners wird kom­plett in Holz­bau­weise rea­li­siert. Pro­jekte wie diese ver­einen Nach­hal­tig­keit mit attrak­tiven Wohn­lagen und geben nicht nur den per­fekten Aus­blick auf die Umge­bung – sondern mög­li­cher­weise auch auf die Zukunft des Woh­nungs­baus.