Jürgen Engel im Interview
Die Suche nach neuen Formen hat uns begeistert
Jürgen Engel führt eines der großen deutschen Architekturbüros. Mit rund 300 Mitarbeiter:innen am Hauptsitz in Frankfurt und in mehreren nationalen und internationalen Dependancen realisieren KSP Jürgen Engel Architekten Hochhäuser in Frankfurt genauso wie eine Moschee in Algier oder die Chinesische Nationalbibliothek in Peking. Doch auch der kleine Maßstab liegt ihm, wie er mit seinem Entwurf für das neue Türgriffprogramm FSB 1271 beweist. Ein Gespräch über krönende Abschlüsse, die Liebe zum Detail und was ihn als Gestalter motiviert.
Sehr geehrter Herr Engel, eine Türklinke zu entwerfen, ist das ein Architektentraum?
Wir verfolgen bei der Gestaltung von Städtebau über Architektur und Produktdesign bis zum Branding von Unternehmen einen ganzheitlichen Anspruch. Dazu gehören auch eine Sensibilität für Materialien wie beim rohen Sichtbeton des Dokumentationszentrums in Bergen-Belsen oder die Ästhetik des Interieurs für die Elements Studios, aber auch konstruktive Detaillösungen wie die innovative gefaltete Decke im Frankfurter Projekt Westend Duo. Das für viele unscheinbare Detail der Türklinke stellt allerdings eines der wichtigsten Funktionselemente in einem Haus dar. Kaum etwas wird häufiger genutzt und in die Hand genommen. Für uns Architekt:innen ist sie beim Entwurf eines Hauses der krönende Abschluss einer ganzheitlichen Gestaltung.
Was hat Sie an der Gestaltung einer Türklinke gereizt?
Unser haptisches Gedächtnis ist genauso präsent wie unser Gedächtnis für Gerüche. Wer mit allen Sinnen ein Haus wahrnimmt, erkennt die Bedeutung von Tür- und Fenstergriffen. Ob der Gestaltungswille über der Funktionalität beim Entwurf stand, spürt man dabei sofort. Beides, die Ästhetik und die Nutzung in Einklang zu bringen, ist die Herausforderung, die uns als Gestalter motiviert. Dazu gehört auch eine einheitliche Ausstattung aller Türen und natürlich auch der Fenster. Alle haben besondere Anforderungen, die sich in der Gestaltung und bei der Benutzung nicht bemerkbar machen sollten.
Wie kam die Zusammenarbeit mit FSB zustande?
Wir setzen seit Jahrzehnten Produkte von FSB in unseren Projekten ein. Unsere Qualitätsansprüche stimmen überein. Daher ist unsere Zusammenarbeit seither von gegenseitiger Wertschätzung bestimmt. Der Wunsch, zusammen eine Grifffamilie umzusetzen, bestand schon lange, und wir sind sehr glücklich darüber, das gemeinsame Projekt endlich in Angriff genommen zu haben.
Wie lief die Zusammenarbeit mit FSB?
Für FSB ist die Zusammenarbeit mit Architekt:innen eine Tradition. Aber auch für uns ist die Produktentwicklung mit Hersteller:innen ein wesentlicher Teil unseres Aufgabenspektrums. Von Anfang an merkten wir, dass auf beiden Seiten eine enorme Erfahrung im Produktdesign besteht.
Wie viel hat Ihr Entwurf für die FSB 1271 mit Ihren Erfahrungen aus der täglichen Architekturpraxis zu tun?
Unser eigenes Projektportfolio mit Hochhäusern, großen Bürogebäuden und Forschungseinrichtungen, aber auch mit Wohnhäusern und Kulturbauten, stellt an ein Bauteil wie die Türklinke ganz unterschiedliche Anforderungen. Wir stoßen immer wieder auf das Problem, dass favorisierte Grifffamilien nicht allen gestalterischen und baurechtlichen Anforderungen genügen, sodass auf mehrere Produktfamilien zurückgegriffen werden muss. Gerade in repräsentativen Bereichen von Bürogebäuden sind ästhetisch hochwertige Rahmentürdrücker gefragt, die Teil einer einheitlichen Gestaltung von Türen bis Fenstern sind. Unser primäres Anliegen war es, eine Grifffamilie zu entwerfen, die diesem gestalterischen Anspruch gerecht wird.
Was ist die gestalterische Besonderheit des Rahmentürdrückers innerhalb der Grifffamilie?
Wir sind mit einer klaren Vorstellung an den Entwurf herangegangen. Die auf alle technischen Belange optimierte Form von FSB 1271 vereint Präzision mit angenehmer, komfortabler Handhabung und erlaubt eine einheitliche Gebäudeausstattung mit Türdrücker, Rahmentürdrücker und Fenstergriff in identischer Geometrie. Der Rahmentürdrücker kommt dabei ohne typische Kröpfung oder wahrnehmbaren Versatz aus. Hier war der innovative Geist des gestaltenden Philosophen Ludwig Wittgenstein Anlass, die Verkröpfung als eine leichte Anpassung des Übergangsradius zwischen Türdrückerhals und Handhabe weiterzudenken.
Wie tief sind Sie in die Materie eingestiegen, etwa in Geschichte der Klinkenentwürfe und in den Herstellungsprozess?
Wir haben uns mit Türdrückern seit der Moderne befasst. Die damalige Suche nach neuen Formen hat uns begeistert. Als Referenz lassen sich am ehesten die Türdrücker von Mies van der Rohe heranziehen, insbesondere den für das Farnsworth House (1949-51), mit elegant geschwungen, schlanken Formen. Die Reduktion der sichtbaren Teile und die Erscheinung wie aus einem Guss sollten auch für die Serie FSB 1271 maßgeblich sein. In der Zusammenarbeit mit FSB haben wir viel über den Herstellungsprozess und die Oberflächenbehandlung lernen können. Wir konnten uns vor Ort selbst davon überzeugen, wie im ostwestfälischen Brakel mit beeindruckender handwerklicher Qualität gefertigt wird. Das ermöglichte uns, die Grifffamilien von Grund auf neu zu konzipieren und konstruktiv eigene Wege zu gehen.
Die Form des Griffprogramms ist in Sachen Ressourcenschonung optimiert. Was bedeutet das genau?
Um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, gilt es so wenig Material wie möglich aufzuwenden. Dennoch muss der Türdrücker nicht nur den Normen entsprechen, sondern sich auch für große Hände gut anfühlen. Mit seiner geschwungen-flächigen Vorderseite und der weich gerundeten Innenkontur steht FSB 1271 gleichermaßen für Präzision und Komfort. Trotz der schlanken Formgebung bleibt das Greifvolumen des Drückers angenehm, sodass sich auch großformatige schwere Türen sicher öffnen lassen.
Haben Sie auch schon andere Architekturprodukte entworfen?
Unser ganzheitlicher Anspruch als Gestalter beginnt beim Städtebau und geht bis in Detaillösungen des Interieurs.
Die Türdrückerserie FSB 1271 steht damit in einer Reihe mit diversen Leuchten, Möbeln, einer Badezimmerausstattung und auch einem Teppich mit zwei Webmustern.
Welcher Maßstab ist Ihnen der liebste – zwischen Städtebau und Türklinke?
Als Architekt, der einen solchen Anspruch formuliert, ist man vor allem neugierig darauf, sich immer neuen Gestaltungsherausforderungen zu stellen und seine Expertise zu erweitern. Gerade die Türklinke ist technisch wie auch ästhetisch eine besondere Aufgabe. Die Liebe zur Detaillösung ist allerdings unabhängig vom Maßstab. Auch beim Städtebau werden von uns im Anforderungsrahmen spezifische Lösungen entwickelt, die funktional sind, langfristig Bestand haben und auch ästhetisch hochwertig sind.