Architekturbiennale 2018: Deutscher Pavillon

Von Teilung und Heilung

05.06.18

„Unbuil­ding Walls“ lautet das Thema des deut­schen Bei­trags auf der dies­jäh­rigen Archi­tek­tur­bi­en­nale in Venedig – und beim Betreten des Pavil­lons emp­fängt die Besu­cher:innen eine dunkle, hohe Mauer, die an den Eisernen Vorhang erin­nert.

Seit 28 Jahren ist Deutsch­land wieder vereint, exakt so lange, wie die Mauer (von 1961 bis 1989) bestand. Graft-Gründer Thomas Wil­le­meit, Wolfram Putz und Lars Krü­cke­berg nehmen gemeinsam mit Mari­anne Birthler.

Der ehe­ma­ligen Bun­des­be­auf­tragten für die Stasi-Unter­lagen, diese Zei­ten­gleiche zum Anlass, im Pavillon die Aus­wir­kungen der Teilung und den Prozess der Heilung als dyna­mi­sches räum­li­ches Phä­nomen zu unter­su­chen.

Der Deut­sche Pavillon in den Giar­dini mit der dies­jäh­rigen Aus­stel­lung „Unbuil­ding Walls“.

Zunächst undurch­dring­lich, düster und sogar etwas bedroh­lich erscheint die schwarze Bar­riere im Deut­schen Pavillon. Beim Annä­hern jedoch löst sie sich auf, und die ver­meint­liche Mauer ent­puppt sich als eine Viel­zahl räum­lich geschickt plat­zierter Stelen, die den typi­schen Ber­liner Mau­er­teilen nach­emp­funden sind.

Es sind ins­ge­samt 28 Seg­mente, die sym­bo­lisch für die 28 Jahre Teilung stehen. Ein span­nungs­voller Effekt, der mit farb­li­chen Kon­trasten, der Wahr­neh­mung und Per­spek­tiv­wech­seln spielt.

Er ver­deut­liche bild­haft, dass Mauern durch­drungen werden können und dahinter ein Stück Frei­heit warte, so die Kurator:innen.

Bild 1 von 5: Die vier Kura­to­rinnen des Deut­schen Pavil­lons: Mari­anne Birthler mit Wolfram Putz, Lars Krü­cke­berg und Thomas Wil­le­meit von Graft Archi­tekten.

Bild 2 von 5: Beim Betreten des Pavil­lons emp­fängt die Besu­cher:innen eine dunkle, hohe Mauer, die an den Eisernen Vorhang erin­nert.

Bild 3 von 5: „Unbuil­ding Walls“ zele­briert jene ent­schei­dende Bewe­gung, jenen Augen­blick, in dem die Mauer über­wunden wird und neue Frei­räume ent­stehen.

Bild 4 von 5: Die Rück­seiten der Stelen ver­tiefen das Thema, mit der Dar­stel­lung von jeweils einem Projekt aus der Nach­wen­de­ge­schichte der Mauer.

Bild 5 von 5: Die Video­in­stal­la­tion „Wall of Opi­nions“ der Jour­na­listin Maria Seifert stellt Men­schen in den Mit­tel­punkt, die heute in Grenz­ge­bieten leben und unmit­telbar von der Teilung ihrer Länder betroffen sind.

„Unbuil­ding Walls“ kon­fron­tiert die Besu­cher:innen zum einen mit der Mauer selbst und zele­briert zugleich jene ent­schei­dende Bewe­gung, jenen Augen­blick, in dem sie über­wunden wird und neue Frei­räume ent­stehen. Im realen Raum ebenso wie im über­tra­genen Sinne.

Dabei ver­viel­facht sich die sehr nach­hal­tige Wirkung der Mauer als Refle­xion in einer Spie­gel­in­stal­la­tion ins Unend­liche. Die Rück­seiten der Stelen ver­tiefen das Thema, mit der Dar­stel­lung von jeweils einem Projekt aus der Nach­wen­de­ge­schichte der Mauer.

Die Bei­spiele reflek­tieren den bau­li­chen Umgang mit der Grenze, den frei gewor­denen Räumen und hin­ter­fragen, welche Rolle die Archi­tektur beim „Hei­lungs­pro­zess“ spielen kann. Die Hete­ro­ge­nität dieser Ansätze, Typo­lo­gien, Akteure und Resul­tate zeigt die Breite der Lösungen.

Blick in den Deut­schen Pavillon

Einer der beiden Vide­o­räume mit Spie­gel­wand

Der Plural des Titels „Unbuil­ding Walls“ ist kein Zufall, denn die Aus­stel­lung beschäf­tigt sich neben der deut­schen Teilung mit derzeit real exis­tie­renden Mauern in Zypern, Nord­ir­land, zwi­schen Israel und Paläs­tina, USA und Mexiko, Nord-und Süd­korea sowie an der EU-Außen­grenze.

Im Gegen­satz zu den Stelen stellt die Video­in­stal­la­tion „Wall of Opi­nions“ der Jour­na­listin Maria Seifert die Men­schen in den Mit­tel­punkt, die heute in Grenz­ge­bieten leben und unmit­telbar von der Teilung ihrer Länder betroffen sind. Sie schil­dern ein­drück­lich ihre Schick­sale von zer­bro­chenen Fami­lien, den tag­täg­li­chen Hin­der­nissen und Ein­schrän­kungen, die sie durch die Mauern, Bar­rieren und Zäune erfahren.

Die „Wall of Opi­nions“ hebt damit die The­matik in die Rea­lität der Jetzt­zeit, unter­streicht ihre Rele­vanz und gibt der gesamten Aus­stel­lung die ange­mes­sene empa­thi­sche Tiefe.