Schulhaus Kestenholz, Schweiz
ern+ heinzl
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In den 1950er Jahren entwarf der Schweizer Architekt, Bildhauer und Designer Max Bill in Zusammenarbeit mit Ernst Moeckl eine Türklinke, die als „Ulmer Türklinke“ Designgeschichte geschrieben hat. Anhand dieser Vorlage schuf Johannes Potente das Modell FSB 1023 – seit jeher eine Alternative zu den gängigen U-Form-Modellen.
Architektur für eine zeitgemäße Pädagogik
Schulbau ist eine der großen baulichen Herausforderungen unserer Zeit. Nicht nur, dass viele ältere Gebäude saniert, erweitert und auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden müssen. Für viele steht heute unser gesamtes Schulsystem auf dem Prüfstand und damit auch seine gebaute Form. Die Art, wie Kinder und Jugendliche heute meist noch lernen sollen, entstammt dem Preußischen Staat, dem es daran gelegen war, Menschen zu formen, die in seinem Verwaltungsapparat arbeiten können. Viel wird heute in der Schule für die Schule gelernt und das meiste danach vergessen. Weil die vorgegebene Art des Lernens nicht angemessen ist. Wenn Architektur gebaute Gesellschaft ist, dann gilt es heute natürlich auch, die richtigen Gebäude zu bauen für eine zeitgemäßere Pädagogik. Kein leichtes Unterfangen, wenn die Debatten zu dieser Pädagogik noch heiß laufen und in durchaus unterschiedliche Richtungen weisen. Das Beste was Schul-Architektur leisten kann ist, Räume zu schaffen, die Möglichkeiten eröffnen.
Einen gelungenen Versuch für eine solche, ermöglichende Schularchitektur haben die Solothurner Architekten ern+ heinzl in der Schweizer Gemeinde Kestenholz realisiert. „Kaspar“ ist der Name, des siegreich aus dem ausgeschriebenen Wettbewerb hervorgegangenen Projekts. Lautmalerisch verweist der Name auf die ortsnamenprägende Kastanie, gleichzeitig wird er den jungen Nutzer:innen der Grundschule gerecht. Während der Altbau des Alten Schulhauses, der mit seinen Holzläden und dem sanft geneigten Walmdach bereits alte Postkarten ziert, saniert wurde, war ein 50 Jahre alter Ergänzungsbau nicht erhaltenswert. Ersetzt wird dieser nun durch einen dreigeschossigen monolithischen Baukörper mit flach geneigtem, asymmetrisch angelegtem Spitzdach. Der Neubau formuliert zur Straße hin eine klare städtebauliche Kante, im Ensemble mit dem Altbau und der angegliederten Mehrzweckhalle gibt er dem neu gestalteten Schulhof eine Fassung.
Im neuen Schulhaus befinden sich insgesamt sieben Hauptklassen- und fünf Halbklassenzimmer sowie zwei Schulungsräume für die Spezielle Förderung. Die einzelnen Räume öffnen sich zueinander und bieten sich so an für neue schulische Konzepte. So können beispielsweise bei Bedarf zwei Klassenzimmer mit einem kleineren Gruppenraum zusammengeschaltet werden. Die Zugänge zu den Klassenzimmern liegen an großzügigen, hellen Foyers. Als Zwischenräume auf dem Weg vom Schulhof zum Klassenzimmer bieten sie sich aufgrund ihrer Größe für diverse schulische Aktivitäten an. Die weiten Fenster bieten mit ihren Laibungen aus Eichenholz moderne und lässige Sitzgelegenheiten und verbinden gleichzeitig den Innenraum mit dem Schulhof. Auch die Klassenzimmer geben mit großen Fensterflächen den Blick auf die Landschaft frei, orientieren sich aber vom Schulhof weg in Richtung Nord-Osten, um die Konzentration nicht zu stören.
Architektur und Objekt
Foto: ©ern+ heinzl Architekten
„Durch die Wiederkehr des Materials Sichtbeton im Innenraum wird der Außenraum mit dem Innenraum atmosphärisch zu einem "Zwischenraum" verbunden“, erläutern die Architekten ihren Entwurf.
Gelungene Verknüpfung von Innen- und Außenraum
Mit dem Schulneubau wurde auch der gesamte Außenraum einer Neugestaltung unterzogen. Die Auto-Stellplätze wurden verlagert, sodass sich Raum für einen großzügigen Pausenplatz eröffnete. Bäume sorgen hier für Gliederung und Schatten. Runde Sitzelemente stellen Aufenthaltsflächen für Unterrichtspausen und Freizeit, bieten gleichzeitig genügend Platz für ganze Schulklassen, sodass auch Unterrichtsstunden nach draußen verlagert werden können. Auch das Konzept des Außenraums spielte in der Bewertung der Wettbewerbsjury eine besondere Rolle. Sie bewertete diesen als eine große Chance für die Gemeinde Kestenholz, „neben einer modernen und zukunftsgerichteten Schule durch die Setzung des Neubaus einen Außenraum zu gewinnen, der nicht nur als Pausenplatz, sondern auch als dörflicher Treffpunkt seine Identität entwickeln kann.“
Bronzefarbene Aluminium-Paneele ziehen die Fenster optisch in die Länge und schaffen mit ihrer Lochstruktur eine moderne Interpretation der traditionellen Fensterläden der Region. Auch der helle Sichtbeton der Außenwände fügt sich gut in die bestehende Bebauung des Dorfes ein. Mit ihrer Entscheidung, Sichtbeton als Außenmaterial zu nutzen, wollten die Architekt:innen die Schule als öffentliches und offenes Haus erkennbar werden lassen. Auch der Übergang von einem der Allgemeinheit offenstehenden Außenraum zu einem den Schülerinnen und Schülern vorbehaltenen Innenraum wird über die Materialität erfahrbar. Die Wiederholung des Sichtbetons im Innenraum schafft atmosphärisch einen Zwischenraum zwischen Innen und Außen. Die Klassenräume heben sich ab durch die installierten Einbaumöbel aus Eichenholz und das Eichen-Parkett – Eiche, ein Holz, das dem „Kastanienholz“ in Struktur und Farbe sehr ähnlich ist und den Klassenzimmern eine besondere Wärme verleiht.
Die ausgewählten Materialien in den Innenräumen sind ganz an den Kindern orientiert. Die Architekt:innen wollten, dass die Nutzenden des Gebäudes diese nicht nur visuell, sondern auch haptisch und ganz unmittelbar erfahren. Besonders manifestiert sich das in architektonischen Lösungen wie den holzverkleideten Fensterlaibungen und Garderobennischen, die die Kinder direkt zum Sitzen, Spielen oder Lesen nutzen können und dabei mit der Architektur des Hauses direkt in Berührung kommen. „Deshalb lag auch ein besonderer Augenmerk auf den Griffen von Türen und Fenstern, an denen die Qualität von Form und Material spürbar wird“ so die Architekt:innen zur Auswahl der Beschläge für die neuen Schulräume. Gewählt wurde die Griffserie 1023 von FSB, deren „vorbildlicher Entwurf“ von Max Bill von großen und kleinen Händen gleichermaßen angenehm „begriffen“ werden kann. In der Ausführung Bronze harmoniert der Griff zu den bronzierten Fensterverkleidungen ebenso wie zu den hellen Eichenoberflächen der Innentüren.
Objektdetails
Fotos: © Stefan Müller, Berlin